Stadtteilmanagement
Heidenau-Nordost

Hinter den Kulissen: ESF Koordinierung

Mit der ESF-Koordinierungsstelle hat man als Bürger direkt eigentlich nie zu tun. Warum ich diese Stelle jedoch dennoch unbedingt in meine Artikelreihe mit aufnehmen möchte, ist leicht zu erklären. Als HeidenauerIn hat man eine schier endlose Auswahl an kostenfreien Beratungs- und Freizeitangeboten. Durch die umfangreiche europäische Förderung kann man seine Zeit unter fachkundiger Anleitung beispielsweise mit Fotografie, Sport oder Gärtnern füllen, um nur ein paar Optionen zu nennen. Und damit diese dutzenden Angebote koordiniert werden können, bedarf es einer Person, die sich um die organisatorischen Belange kümmert und den Vorhabensträgern mit Rat und Tat zur Seite steht.

Anne-Cathrin Häntsch hilft den Vorhabensträgern bei allen ESF-Belangen.

„Ein klassischer Bürojob mit Unmengen an Papier“, dachte ich mir und ahnte nicht, dass mein Tag neben bunten Farben auch einen Sonnengruß im Abendlicht für mich bereithalten wird.

Als ich Anne-Cathrin Häntsch im Büro besuchte, sprangen mir direkt die erwarteten Papierberge ins Gesicht. „Ich bin gerade mit der Unterstützung bei Nachweisführung und Antragstellung der einzelnen Projekte beschäftigt.“, erklärte sie mir. „Der umfangreiche bürokratische Aufwand wird von vielen unterschätzt. So helfe ich den Akteuren dabei, ihre Arbeitszeit inhaltlich nutzen zu können und sich nicht nur mit bürokratischen Fragestellungen herumschlagen zu müssen. Durch meine übergreifenden Erfahrungen habe ich fast immer einen nützlichen Kniff parat.“, fuhr sie fort. Durch meine eigene Zeit als Projektkoordinator verstand ich sofort, was sie meinte. Auch ich war über jeden Ratschlag der Koordinierungsstelle dankbar, wenn wieder einmal neue Formulare eingeführt wurden oder Teilnehmerdokumente erfasst werden mussten.

Stefan Neumann unterstützt viele Graffi-Projekte als Dozent.

„Da du ja bestimmt nicht nur über meine Büroarbeit berichten magst, nehme ich dich heute einmal mit zu meinen beiden eigenen Projekten hier im Gebiet“, ver-riet sie mir mit einem vorfreudigen Lächeln und wir machten uns auf den Weg.

Unsere erste Station stand unter dem Motto „Aktiv Kreativ“. In zweiter Reihe sprang mir auch direkt das bunt bemalte Gebäude mit der Drachenfigur auf dem Vordach auf. „Stefan Neumann hilft mir bei der Umsetzung der Graffiti-Projekte“, erfuhr ich, bevor wir die Werkstatt betraten.

Erst kürzlich wurde das riesige Unterwasser-Motiv im Zentrum fertig gestellt.

Ein bisschen juckte es mir direkt in den Fingern, als ich die vielen Spraydosen, Werkzeuge und Arbeiten in den gemütlichen Räumlichkeiten sah. „Für den Kram bin ich definitiv zu alt“, schoss es mir durch den Kopf und ich wurde sofort korrigiert. „Viele verbinden Graffiti damit, nachts mit dunklen Kapuzenpullis heimlich Züge zu beschmieren und dann schnell weg zu laufen, wenn man doch einmal erwischt wird. Aber was wir hier machen, sind detailliert vorbereitete und ganz legale Kunstwerke“, erklärte mir Stefan und ergänzte, dass viele TeilnehmerInnen im ersten Moment überrascht sind, wieviel Planung es benötigt und wie anstrengend es auch sein kann, den ganzen Tag konzentriert mit der Spraydose zu arbeiten.

Im Büro schaute ich mir noch die Galerie mit seinen bisherigen Arbeiten an und staunte nicht schlecht über die Fotos von großen Kirmesfahrgeschäften und Schaustellerbuden. „Gelegentlich baue und bemale ich auch die Figuren für namenhafte überregionale Kunden.“, fügte er hinzu.

Ich war beeindruckt, wie schnell man mein Bild von Graffiti ins positiv-seriöse rücken konnte und meldete direkt Interesse an einem offiziellen Workshop an. Denn dunkle Kapuzenpullis standen mir noch nie.

Hier hätte ich beim Fotografieren bereits stutzig werden sollen 😉

„Um deinen Einblick zu vervollständigen möchte ich dir gern noch mein Projekt „Family Town“ vorstellen. Ein Bewegungsangebot.“, sagte mir Anne-Cathrin und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Neben der Freizeitsportanlage erwarteten mich schon eine Hand voll bunt gemischter Teilnehmer und Dozent Patrick von Bardeleben offenbarte mir, dass heute Yoga-Wandern auf dem Plan steht.

(Moment. Stop. Yoga? Ist das nicht dieser Frauensport mit Duftstäbchen, Klangschalen, ganz viel Esoterik und unnatürlichen Bewegungen in Zeitlupe?)

„Ach schade, ich habe leider gar kein Sportzeug dabei“, warf ich in die Runde und wollte den Rückzug antreten. Doch diese letzte Ausrede wurde sofort entkräftet und ich sah mich sozial gezwungen, die Gruppe zu begleiten. (Ja, ich hatte diverse Vorurteile. Sie etwa nicht?)

Der Weg zum Yoga-Platz wurde von einer wunderschönen Abendsonne versüßt.

Auf der Wanderstrecke zum „Yogaplatz“ konnten die Teilnehmer im Gespräch schon einige meiner Ängste (etwa von Bekannten gesehen zu werden ;)) bereits entkräften. Ich hatte auch keinesfalls das Gefühl, dass ich in einer Gruppe fanatisch spiritueller Menschen gefangen war. Alles war irgendwie ganz „normal“. Ich war schon fast enttäuscht wie normal alles war.

Was geschah dann? Darüber könnte ich einen eigenständigen Artikel verfassen, doch das „erste Mal“ sollte jeder für sich selbst erleben können, weswegen ich mich mit Details bewusst zurückhalte.

Entspannung an der frischen Luft ist ein überraschend geniales Erlebnis.

Mein ehrliches Fazit? Ich war begeistert! Es gelang mir tatsächlich, mich fallen zu lassen und ein völlig neues Gefühl für meinen Körper, meine Atmung und letztlich mich selbst zu entwickeln. Ich fühlte mich wirklich wohl und dieses Gruppenerlebnis draußen in der Natur bei wunderschöner Abendsonne, war ein wahres Highlight für mich persönlich.

Aber das würde ich als gestandener Mann natürlich nie offen zugeben…